DYWYHSM RECOMMENDS "DAS FÜNFUNDDREIßIGSTE JAHR" by PETER TRUSCHNER

Montag, 8. Juli 2013

"[...] mit Mitte dreißig erscheint diese hartnäckige Erschöpfung und Antriebslosigkeit wie eine persönliche Niederlage - etwas, das ich selbst heraufbeschworen habe, sei es durch meinen Lebenswandel, meine Ernährung oder meinen Mangel an Ambition."

Selbst in der Generation "Mitte 30" (okay, 1 - 2 Jahre fehlen mir noch) angekommen, hat mich die thematische Aufarbeitung dieses Themas durch Autor PETER TRUSCHNER sehr berührt und gefesselt. Sprachlich und psychologisch unglaublich gut, bin ich nicht nur einmal kopfnickend und lachend über den Seiten gesessen und habe viele Passagen angestrichen (was ich sonst eigentlich nicht tue). 

"Ich schlafe gut, habe einen - wenn auch unbefriedigenden - Job, habe ab und zu eine Beziehung (oder wenigstens eine Affäre) und zweifle zwar immer an dem Weg, den ich eingeschlagen habe, ohne jedoch darüber zu verzweifeln."

So lässt sich das Leben des namenlosen Ich-Erzählers in wenigen Worten zusammenfassen. Den Thirty-Somethings in Peter Truschners neuem Roman fehlt der Halt. Sie zählen zu einer Generation, die sich dem Älterwerden verweigert: Carsten hat es zumindest schon mal probiert, er lässt sich gerade scheiden. 

"Der Alltag erhöht einen nicht, er lässt einen vielmehr in die Knie sinken oder aber aufs Sofa, vor dem der LCD-Fernseher steht [...]. Geld und Beton sind ein stabilerer Dämmstoff als Gefühle oder Spermien, erst recht, wenn das Projekt nach einigen Jahren zum eigentlichen Partner geworden ist. Spätestens, wenn zwischen Tisch und Bett kein Unterschied mehr besteht und sich die Lust aus dem Haus schleicht wie ein Gast, für den sich niemand zuständig fühlt, beginnen sich Mama und Papa zu verwandeln. Ihre Geschlechtsteile verkümmern, bis sie schließlich abfallen wie verdorrte Blätter."

Alex bleibt hartnäckig dabei, das schwarze Schaf zu sein. Mit Toni konnte man immer schon saufen bis zum Umfallen, und Sabine ist viel zu lang schon verzweifelt auf der Suche - im Internet … 

"[...] in der darauffolgenden Nacht etwas miteinander angefangen, das sie eine Affäre nannte. Tatsächlich war es nichts anderes gewesen, als ein kurzes Aneinandergeraten in einer Übergangszeit, die von Ambivalenz geprägt war. [...] Ich wusste um unser Ende bereits Bescheid, als wir noch am Anfang standen [...] Sie brachte das Wort Liebe ins Spiel. Diese Liebe war jedoch ein Gerät, das von zwei Batterien mit niedriger Energieleistung angetrieben wurde, sodass ihr bald der Saft ausging."

Peter Truschner begnügt sich nicht mit der Beschreibung der coolen Oberfläche: Mit brutaler Präzision lotet er die Abgründe seiner Generation aus und legt die eigentliche Sehnsucht der Protagonisten offen: die nach stabilen Beziehungen im Leben.

"Ich sehne mich nach Veränderung, scheue jedoch die Unannehmlichkeiten, die sie mit sich bringt, wie die Pest. Gleich, ob es sich dabei um meinen Job handelt, der mich unterfordert und mir zu wenig Geld einbringt, oder um meine letzte Affäre, die ich, weil ich nicht gern allein bin und es angenehm ist, regelmäßig Sex zu haben, einfach laufen ließ, obwohl ich wusste, dass sie zu nichts führen, keine nennenswerte Spur in meinem Leben hinterlassen wird."

Diese Beziehungen, Freundschaften, aber auch der familiäre Background des Ich-Erzählers (dem einige Kapitel gewidmet sind) werden offengelegt und so bekommt man langsam eine Ahnung davon, warum unser "Held" dort steht, wo er gerade steht, fühlt was er fühlt.  Die Mutter, die schnell selbst desillusioniert vom Leben war, aber als Allein-Erzieherin "nur das Beste" für ihren Sohn wollte, der abwesende Vater, der das Leben seines Sohnes nur gestreift hat und die Großeltern, bei denen der Ich-Erzähler die ersten Jahre seines Lebens verbracht hat.

"Nun bin ich Mitte dreißig, und mir scheint, dass ich in gewisser Hinsicht offener bin, als ich es jemals war, dafür jedoch auch orientierungsloser."

Wenn ihr noch auf der Suche nach anspruchsvollerer Urlaubslektüre seid, dann ist DAS 35. JAHR von PETER TRUSCHNER ein Buch, das ihr definitiv lesen solltet!

Erschienen im Zsolnay Verlag
Fester Einband, 240 Seiten
18,90 € (D) / UVP 26,90 sFR (CH) / 19,50 € (A)

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