Ein kühler Tipp für heiße Urlaubstage: Tino Hanekamps Debütroman SO WAS VON DA!
Das Cover und der Buchrücken haben mich neugierig gemacht. Reduziert, nicht zu viel Schnick-Schnack und schwarz(weiß). Ich lese gerne Bücher von jungen, „wilden“ und noch (zu Unrecht) wenig beachteten Autoren. Hanekamp hat ein beeindruckendes Erstlingswerk vorgelegt!
Früher Musikjournalist für Magazine wie Visions, Musikexpress oder Spex, ist er heute Mitbegründer und –betreiber des Hamburger Musikclubs Uebel & Gefährlich.
SO WAS VON DA erzählt von einem Tag (31.12.) im Leben des Ich-Erzählers und Helds Oskar Wrobel, 23. Clubbetreiber eines Hamburger Clubs, der einen Tag nach Silvester abgerissen werden soll. Normalerweise kann ich mit Büchern und Filmen, die sich nur auf einen Tag beschränken nicht viel anfangen (die Serie 24 ist eine Ausnahme) und war anfangs etwas skeptisch. Doch Hanekamp zieht den Leser sofort rein in die Geschichte und man kommt nicht wieder raus, bis man das Buch zu Ende gelesen hat!
Der letzte Tag des alten Jahres im Leben des Oskar Wrobel beginnt schlimm – nein, eigentlich beginnt er beschissen. Aufzuwachen neben einer Frau, die man nicht kennt, obwohl er noch immer seine große Liebe Mathilda im Kopf hat, um dann wenig später vom Schlägertrupp des berüchtigten Ex-Zuhälters Kiezkalle „besucht“ zu werden. Kiezkalle möchte sich 10.000 Euro von Oskar ausborgen, da er ihn bei der Cluberöffnung finanziell unterstützt hat und nun ebenfalls einen „Gefallen“ einfordert.
Oskar bleibt also noch dieser eine Tag/diese letzte Nacht, um die Party des Jahres zu schmeißen und das Geld für Kiezkalle aufzutreiben. Geld, das eigentlich der Bank, dem Vermieter, den Versicherungen zusteht ... egal ... nicht darüber nachdenken. Jetzt muss eine Party geplant werden und mit der Hilfe seiner Freunde sollte dies kein Problem sein. Alle etwas verrückt und mit ihren eigenen kleineren oder größeren Problemen behaftet, bilden sie das Herzstück des Romans. Da gibt es Rocky, Oskars besten Freund und aufstrebender Musiker der Stunde – der jedoch am Ruhm zu zerbrechen scheint und Nina, beste Freundin und Künstlerin, die genau an diesem Tag all ihre Kunstwerke schwarz übermalt und unglücklich in Leo, den russischen und etwas seltsamen Türsteher des Clubs, verliebt ist.
Im Club, einem ehemaligen Krankenhaus, angekommen, gibt Pablo, Oskars Partner, ihm dann auch gleich eine Liste der Dinge, die in 90 Minuten erledigt werden müssen (Wechselstube, extrem viel Schnaps, das übliche Gemüse, rotes Obst für die MDMA-Bowle, Friedhofskerzen zwecks Fummellicht in den Bumsbuden, Eis von der Kieztanke und Blumen beim Kurden). Bis diese Liste abgearbeitet wird und die Party starten kann, kommt noch einiges dazwischen. Und es wird eine Party auf der man gewesen sein möchte bzw. die man irgendwann erleben will: ein geniales Line-Up, ein Champagner-Brunnen, verrückte Sex-TänzerInnen aus Polen, Erbse, der Dealer, eine Band-Auflösung, Menschenmassen, die den Club einreißen, ein Herzanfall, ein Geständnis und viel Liebe, Drogen, Alkohol und Mathilda!
Aber lest am besten selbst!
Tino Hanekamp kann schreiben - und wie! Jedes Kapitel ein Genuss und obwohl ich den Roman an den heißesten Sommertagen gelesen habe, wünschte ich nichts sehnlicher herbei als Silvester und Teil dieser Party zu sein!
Abschließend noch die im Roman erwähnte (p. 172 f.) und „abgearbeitete“ Publikumsstimmungsskala nach Knoll & Köhler, damit ihr ungefähr eine Ahnung bekommt, auf was ihr euch da einlässt:
Phase eins
Ankommen. Getränk ordern und gelangweilt in der Gegend rumstehen. Sich ärgern, weil schon wieder zu früh aufgelaufen. SMS an Freunde schicken: Geht voll ab hier. Kommt sofort!
Phase zwei
Verstohlen die eintreffenden Gäste mustern. Frisurencheck im Klospiegel. Sturzbier gegen Unsicherheit. Eventuell Drogenkonsum. Reflexartige Reaktionen auf Musikprogramm wie Fußwippen oder Applaus. SMS-Eingang checken.
Phase drei
Es läuft. Alkohol läuft, Musik läuft, Party läuft. Reden. Tanzen. Freunde umarmen. Fremde anlachen. Handy aus. Arme hoch. Eventuell Drogen nachlegen.
Phase vier
Tanzwut. Enthemmung. Kontrollverlust. Euphorie. Irrsinnig emotionale Musikerfahrung. Der Mittelpunkt des Universums ist hier. Alle sind schön. Alle sind glücklich. Alles ist wunderbar. Das ist der Höhepunkt. Man sieht das weiße Licht.
Phase fünf
Erste Ermüdungserscheinungen. Panik beim Anblick der Sonne hinterm Klofenster. Es darf nicht enden, niemals. Unbedingt nachlegen, trinken, weitertanzen. Intensivste Gespräche und/oder extrem triebhaftes Verhalten. Handy an, SMS schreiben: Was geht noch wo?
Phase sechs
Überprüfung der Körperfunktionen. Außerdem: Wo ist der Wohnungsschlüssel? Das Handy? Der Freundeskreis? Die tolle Bekanntschaft von vorhin? Sammeln. Und gehen. Woanders hingehen. Traurig allein nach Hause gehen. Hauptsache weg hier, bevor irgendein Trottel das Putzlicht anschaltet.
Erschienen im KiWi-Verlag
304 Seiten, Broschur
14,99 € (D) / 15,50 € (A)
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